was ist Akupunktur?
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Bei der Akupunktur stimuliert der Therapeut Nerven, indem er
die Haut an ganz bestimmten Punkten nadelt; manchmal werden die Punkte auch
gedrückt (Akupressur) oder erwärmt (Moxibustion). Dadurch löst
man im Körper Reaktionen aus, die weit über die Reizung der lokalen Punkte
hinausgehen.
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was macht die Akupunktur?
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Die wichtigste Reaktion ist sicher die Linderung von Schmerzen,
wobei häufig auch die Psyche mit beeinflußt wird. Daneben kann die
Akupunktur aber auch zu einer Lockerung der Muskulatur, zu einer
allgemeinen Entspannung und zur Verbesserung der Durchblutung
führen, oder sie kann Entzündungen hemmen.
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Selbstheilungskräfte
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Der Mensch wird dabei immer als Einheit betrachtet;
Schmerzen entstehen durch eine Störung der inneren Harmonie (des
Zusammenspiels der Organe und „Säfte“ des Körpers), und diese Harmonie
versucht die Akupunktur wiederherzustellen. Sie verändert also nicht die
Anatomie (sie macht z.B. keine Narben!), beeinflusst aber unser inneres
Milieu, sodaß auch Selbstheilungskräfte aktiviert werden.
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keine Nebenwirkungen!
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Die Behandlung hat praktisch keine Nebenwirkungen, oft im
Gegensatz zu schulmedizinischen Therapiemethoden. Das ist außerordentlich
wichtig, gerade in einer Zeit in der Nebenwirkungen einer Therapie oft
intensiver diskutiert wird als ihr Nutzen.
Es ist deshalb kein Wunder, daß die Akupunktur in den letzten Jahren eine
enorme Aufwertung erfahren hat.
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Heilpraktiker
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Problematisch erscheint, daß sie auch von Therapeuten angewendet wird,
die organische Schäden nicht sicher trennen können von den funktionellen
Beschwerden, die sinnvollerweise mit einer Akupunktur behandelt werden.
Man muß deshalb mit allem Nachdruck fordern: Erst gründliche
schulmedizinische Untersuchung zum Ausschluß z.B. von Tumoren oder schweren
Organerkrankungen, dann Akupunktur!
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ungefährlich
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Wenn diese Reihenfolge eingehalten wird, ist die Akupunktur eine
wesentliche Bereicherung unserer therapeutischen Möglichkeiten. Sie ist
ungefährlich und auch langfristig ohne Nebenwirkungen. Gerade dort, wo die
Schulmedizin oft nicht ausreichend helfen kann, z.B. bei chronischen
Beschwerden, kann die Akupunktur mit z.T. großem Erfolg eingesetzt werden.
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Indikationen
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Bei schon lange bestehenden oder immer wiederkehrenden Kopf-
und Rückenschmerzen, bei Schmerzen in einzelnen Gelenken
und bei Nervenschmerzen, z.B. bei einer Ischialgie, sollte man
unbedingt an eine Akupunktur denken. Sie kann aber auch unterstützend wirken
z.B. bei der Gewichtsreduktion, zur Raucherentwöhnung oder
ähnlichen Problemen. Und: Akupunktur kann auch in der Schwangerschaft
und Stillzeit ohne Probleme eingesetzt werden!
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Schwangerschaft Stillzeit
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Tinnitus etc.
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Weitere gute Indikationen sind: Tinnitus, Epicondylitis
(Tennisellbogen) und Hautveränderungen wie Psoriasis und Neurodermitis.
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wie wirktAkupunktur?
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Wie kann man sich diese vielfältigen Wirkungen erklären? Wir wollen ja
heute nicht mehr glauben, wir wollen wissen, was passiert und
warum.
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Theorie derAkupunktur
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Dazu ist es ganz hilfreich, einen Ausflug in die Geschichte der
Medizin zu machen. Vor allem so kann man verstehen, daß die Praxis der
Akupunktur auch heute noch sehr nützlich ist, die Theorie aber kaum.
Dem werden viele, vor allem „fundamentalistische“, Vertreter der Akupunktur
heftig widersprechen, weil sie, wie auch viele homöopathisch arbeitende oder
anthroposophische Ärzte, auf eine strenge Heilslehre eingeschworen sind. Ich
meine, daß das nicht mehr zeitgemäß ist.
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Dogmatismus
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Da es immer schwieriger wird, Fortschritte in der Medizin zu machen,
sollten wir heute offen sein für alle Anregungen und Ideen, wir sollten diese
aber auch auf „Herz und Nieren“ prüfen, bevor wir sie anwenden. Und wir
sollten uns hüten vor einem Dogmatismus, der unser Denken lähmt, uns nur
unfrei macht und deshalb mit Sicherheit nicht weiterbringt.
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Entwicklung
der Medizin
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traditionell / aktuell
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Fast alles, was die Medizin auf der ganzen Welt bis vor 150 Jahren
entdeckt und erforscht hat, ist, gemessen am heutigen Standard, überholt, ja,
oft kontraproduktiv! Fast alle Behandlungsmethoden bis dahin kann man heute
glatt vergessen - im Westen wie im Osten, in Europa wie in China! Oder,
anders ausgedrückt: Die Medizin hat in den letzten 150 Jahren so riesengroße
Fortschritte gemacht, daß man die 5000 Jahre davor eigentlich fast streichen
kann, ohne daß das ein allzu großer Verlust wäre!
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Explosion des menschlichen Wissens
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Was aber hat zu dieser Explosion menschlichen Wissens geführt? Ganz
eindeutig: Fast ausschließlich die spezielle Tugend unserer modernen
Zivilisation, genaue und unvoreingenommene naturwissenschaftliche Beobachtung
sowie die analytische Bearbeitung dieser Erfahrungen.
Und natürlich die Tatsache, daß man sich früher nur am Rande, quasi als
Abfallprodukt, mit medizinischen Fragen beschäftigt hat und daß das nur ganz
wenige Menschen taten. Heute forschen Hunderttausende ausschließlich auf dem
Gebiet der Medizin. Das ergibt natürlich ein ganz anderes Potential als je
zuvor!
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TMC
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Also nichts mit der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM)? Mit
Heilmethoden, die seit Tausenden von Jahren angewendet wurden, die den ganzen
Menschen erfassen und ihn nicht wie die „westliche“ Medizin in einzelne
Organe aufteilen, die sanft mit natürlichen Mitteln heilen, ohne Chemie und
(fast) ohne Schmerzen?
Ja und nein; zur Beantwortung dieser Frage müssen wir etwas tiefer in die
Geschichte einsteigen. Zunächst einige Fakten:
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Fakten
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- In den medizinischen Zentren Chinas wird zu 95% „westliche“ Medizin
betrieben; sie ist die „normale“ Medizin, die Traditionelle Chinesische
Medizin incl. der Akupunktur eine Therapie 2. Klasse, eine Barfuß-Medizin!
- Mit Akupunktur und der Mao-Bibel in der Hand ist noch niemand schmerzfrei
operiert worden, auch wenn die kommunistische Propaganda das zeitweise glauben
machen wollte.
- Die erste Akupunktur wurde im Jahr 90 v.Chr. schriftlich erwähnt;
vermutlich wurde aber schon 600 v.Chr. genadelt im Sinne einer Akupunktur.
Damals hatte man aber ein völlig anderes Selbstverständnis, ein anderes
Bewußtsein als heute (s.u.).
Zurück zur Geschichte:
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3 Phasen
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Die Entwicklung der Medizin verläuft offensichtlich auf der ganzen
Welt gesetzmäßig in 3 Phasen:
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animistische Medizin
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1. Zuerst entsteht immer eine „animistische“ Medizin:
Krankheiten entstehen, weil ein Dämon den Patienten mit einem Fluch belegt
hat. Die Therapie muß deshalb den Dämon vertreiben oder den Patienten gegen
den Fluch schützen.
Die „naturwissenschaftliche“ Beobachtung, welche Beschwörung bei welcher
Verfluchung am besten half, wurde durchaus in die Therapie mit einbezogen.
Aber die Beobachtung trug doch immer die Fessel des Dämonenglaubens, war also
voller Vorurteile.
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philosophische Medizin
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2. Ähnlich verhält es sich mit der „philosophischen“ Medizin:
Man entwarf ein Bild der Welt, z.B. daß sie aus Erde, Wasser, Luft und Feuer
zusammengesetzt sei; und in dieses Bild wurde dann die Medizin eingefügt.
Wenn die verschiedenen Teile nicht gleichmäßig im Körper eines Patienten
vermischt waren, wurde er krank. Also mußte man dafür sorgen, daß der Fluß
der Anteile (oder Energien) nicht mehr behindert wurde etc..
Auch hier konnte man durchaus faktische Beobachtungen in der Therapie
mitverwenden, aber die Beobachter waren logischerweise nicht an Objektivität
interesssiert, sondern daran, das philosophische Gedankengebäude durch die
Medizin noch zu bestätigen.
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naturwissenschaftlich orientierte Medizin
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3. Erst die „naturwissenschaftlich orientierte“ Medizin
beobachtet die Natur und den Menschen mit seinen Krankheiten ohne geistige
Prämissen. Und das machte die großen Erfolge moderner Medizin möglich, bei
Tumoren, bei Kreislaufproblemen bis hin zum Herzinfarkt, bei der
Säuglingssterblichkeit, bei den Problemen des Älterwerdens etc..
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Lebenserwartung
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Ein gutes und kaum widerlegbares Beispiel für die enormen Fortschritte
moderner Medizin ist die Explosion der Lebenserwartung. Wir werden immer
älter, obwohl wir doch so ungesund leben und uns immer mehr vergiften, obwohl
uns die Ärzte gar nicht mehr so gut verstehen wie einst der alte Hausarzt
oder - modern - der Heilpraktiker.
(Umgekehrt wird eher ein passender Schuh daraus: Weil wir immer älter werden
- weil die naturwissenschaftliche Medizin so effizient ist - , müssen wir
auch mehr auf unsere Gesundheit achten (um unser Alter gesund zu erleben),
und dazu können und sollten wir auch andere, nicht schulmedizinische Methoden
verwenden).
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Glaube und Ratio
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Die Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens geht auf Kopernikus
(1473 bis 1543) und Galilei (1564 bis 1642) zurück. Es ist bekannt, wie
heftig sich Kirche und Staat gegen dieses Denken gesträubt haben. Und ähnlich
heftig ist auch heute noch die Reaktion vieler Gläubigen auf die Ratio, wenn
profane Sachargumente gegen fundamentale Glaubenswahrheiten stehen.
Deshalb hat es nach Galilei noch 200 Jahre gedauert, bis sich die Medizin von
den Fesseln des Glaubens und des geltenden Rechts befreien konnte.
Entwicklung
der chinesischen Medizin
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keine naturwissenschaftliche Phase!
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Auch in China entwickelte sich die Medizin in solchen Phasen, mit
einem Unterschied: Die naturwissenschaftliche Phase wurde erst in diesem
Jahrhundert weitgehend vom Westen übernommen. Das hat viele Gründe, auf die
wir hier aber nicht eingehen müssen. Wichtig zum Verständnis der Akupunktur
ist ja vor allem die „philosophische“ Phase:
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Yin und Yang
5 Elemente
Konfuzius
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Ca. 400 v.Chr. kam die Lehre vom Dualistisch-Gegensätzlichen des Yin
und Yang auf,
100 Jahre später die Lehre von den 5 Elementen Erde, Wasser, Metall,
Holz und Feuer. Beide Philosophien wurden in den folgenden Jahrhunderten
miteinander verwoben und angereichert durch religiöse Elemente, z.B. von
Konfuzius (Kung Tse und Lao-Tse).
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Huang-Ti-Nei-Ching
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Beginnend ca. 200 v.Chr. wurden die medizinischen Erkenntnisse dieser
philosophisch-religiösen Lehre bis ca. 800 n.Chr., also 1000 Jahre
lang,aufgeschrieben im Huang-Ti-Nei-Ching, dem „Klassiker des Inneren
des gelben Kaisers“ (auf dieses Buch bezieht sich die Traditionelle
Chinesische Medizin (TCM)). Allerdings wendet es sich keineswegs nur an
Ärzte, sondern an alle Menschen, deren Pflicht es sei, sich mit medizinischen
wie religiösen Fragen zu beschäftigen. Das Buch ist also kein Lehrbuch,
sondern eher eine Hausfibel für die Unpässlichkeiten des Lebens.
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Hausfibel
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Ein Teil der TCM ist die Akupunktur, die damit fest eingebunden
ist in eine nach der heutigen Begriffen reichlich verquere Denkweise, die
sehr stark an Esotherik, Astrologie o.ä. erinnert. Das schmälert aber den
Wert der Akupunktur für unsere aktuelle Medizin keineswegs: Die jahrhundertelangen
Beobachtungen, welche Hautareale bei Reizung welche Wirkung auslösen, sind
unverändert wertvoll und nützlich!
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Erfahrungsmedizin
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Denn dadurch, daß Akupunktur zu einem erheblichen Teil Erfahrungsmedizin
ist, kann man die Praxis dieser Methode auch anwenden ohne die Theorie, die
uns heute genauso wenig sagt wie etwa einem modernen Chinesen.
D.h. aber, daß die Akupunktur nichts anderes ist als eine Sammlung von
Therapie-Empfehlungen, die losgelöst von der dahinterstehenden Philosophie
angewendet werden können. Man muß kein Experte für frühmittelalterliches
Denken sein, um eine gute Akupunktur zu machen!
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Meridiane, Chi, Cun
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Natürlich schadet es nicht, sich mit den Meridianen, mit Chi
und Cun zu beschäftigen. Es ist immer interessant, was und wie andere
Menschen denken oder gedacht haben. Aber es nützt so wenig wie das Studium
der Mao-Bibel! (Wobei es für einen Europäer schwer erträglich ist, daß ein
Massenmörder in einer Bibel verherrlicht wird).
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Akupunktur ja!
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Also: Akupunktur ja, mit vollem Engagement, jedoch mit den oben
genannten Einschränkungen auf funktionelle Beschwerden, aber keine
Beweihräucherung durch Denkweisen, die unserem Bedürfnis nach einer
einfachen und überschaubaren Medizin entgegenkommen, die aber nichts mit der
Realität zu tun haben!
Wirkungsweise
der Akupunktur
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Endorphine
keine Nebenwirkungen!
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Das Nadeln bestimmter Hautareale oder besser der Muskulatur darunter
bewirkt die Ausschüttung von körpereigenen Boten- und Schmerzabwehrstoffen
(körpereigene Opiate). Zur Heilung oder Linderung der Beschwerden werden also
nur körpereigene Substanzen eingesetzt, die der Körper seit Millionen von
Jahren verwendet, um sich selbst zu heilen! Das erklärt auch das Fehlen von
Nebenwirkungen!
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keine spezifische Wirkung!
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Da es nur eine begrenzte Anzahl von Botenstoffen gibt und sie außerdem
eine chemische Struktur haben, die von Rezeptoren im ganzen Körper erkannt
wird, kann der einzelne Nadelpunkt keine - nur für ihn - spezifischen
Wirkungen haben! Die Akupunktur löst deshalb ganz „unspezifische
Reaktionen im Bereich der Schmerzlinderung, Sedierung und Entzündungshemmung“
(Koettnitz) aus. Und das ist schon viel genug! Mehr, mehr an Philosophie,
Psychologie, mehr an Beschwörung und „Dämonenglauben“, brauchen wir auch gar
nicht!
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Empfehlungen der WHO
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Weil die Akupunktur so unspezifisch wirkt, empfiehlt die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese Therapie-Methode auch bei einem
breiten Spektrum von Erkrankungen oder Beschwerden wie
-
Migräne
- Ischias-Schmerzen
- „rheumatische“ Beschwerden
- Menstruationsbeschwerden
- zur sanften Geburt
- Heuschnupfen
- chronischer Schnupfen oder Husten
- Neurodermitis
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Fazit:
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Dabei ist klar, daß die Akupunktur keine Akut-Behandlung sein
kann und will. Sie hat ihre große Bedeutung aber als sanfte Medizin zur
Prophylaxe chronischer Erkrankungen.
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